Hören ist wie ein Marathon, den läuft niemand einfach so, dazu braucht es Training. Davon ist jedenfalls Alexander Wüstenhagen überzeugt. Er ist zum einen Sportler, zum anderen leitet er als ausgebildeter Hörakustiker den Hörsysteme-Anbieter Hörgeräte Dippe in Dresden. Und er plädiert dafür, dass es dringend lohnt, schon bei leichter Schwerhörigkeit auf ein Hörgerät zu setzen. „Nicht, weil unsere Branche dadurch Umsatz machen soll, sondern weil es um das angesprochene Training geht“, sagt er. Denn das Hören findet eigentlich nicht im Ohr, sondern im Gehirn statt. „Dort werden aus der Unmenge an Umgebungsgeräuschen die für uns in diesem Moment wichtigen herausgefiltert“, beschreibt der Fachmann.
So ist der Normalhörende zum Beispiel in der Lage, auch einem Gesprächspartner zu folgen, der etwas leiser ist, als der Geräuschpegel im Raum. Und das Hörgerät? „Ein Hörgerät nimmt zunächst einmal alle Geräusche wahr, „damit umzugehen und wieder wie beim natürlichen Hören zu filtern, muss unser Gehirn erst wieder neu lernen“, weiß Alexander Wüstenhagen. Deshalb könne es eben auch keine Hörgeräte sozusagen von der Stange geben, sondern es muss das individuell passende gefunden werden. Und auch hier hat der Hörspezialist einen Vergleich: „Ein Spitzenkoch kann sich noch so große Mühe geben, wenn sein Gourmet-Essen einfach nicht zu meinem Geschmack passt, dann wird das einfach nichts …“
Ergebnisse zum Hören
Dass sich die Mühe auch schon bei leichten Einschränkungen des Hörens unbedingt lohnt, darauf verweist beispielsweise auch die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft. Sie unterstützt aktuell eine Studie an der Universitätsklinik Göttingen, bei der untersucht wird, ob Hörgeräte gegen eine Alzheimer-Erkrankung helfen können.
Sabine Jansen, die Geschäftsführerin der Alzheimer-Gesellschaft, hofft dadurch, einen der wenigen beeinflussbaren Risikofaktoren für eine Demenz ins Bewusstsein zu rücken. Training ist auch fürs Hörgeräte-Tragen wichtig. Das Ergebnis dieses Projektes dürfte sich wohl mit bereits vorliegenden Tests decken, die genau das bestätigen: Schon eine leichte Schwerhörigkeit – eine Minderung um 25 Dezibel, wie dem Ticken einer Uhr – kann das Auftreten oder das Fortschreiten einer Demenz befördern. Auch das, findet Alexander Wüstenhagen, lässt sich mit einem Vergleich zum Sport erklären. „Wenn wir bestimmte Muskeln nicht mehr trainieren, bilden sie sich zurück – so ist das auch mit Fähigkeiten oder Leistungen des Gehirns.“
Hinzu kommt das Thema Energie, sagt der Dresdner Spezialist. Denn bei Schwerhörigkeit brauchen die Betroffenen einfach mehr Energie, um sich auf Gespräche zu konzentrieren.“ Diese Energie fehlt dann wieder für anderes, was unser Gehirn leisten muss – es ist also quasi eine Art Energieeinsparung, wenn dann das eine oder andere vom Gespräch ausgeblendet wird“, umschreibt Alexander Wüstenhagen eines der Probleme bei Schwerhörigkeit. Heißt, Hörgeräte helfen, „wacher und damit auch geistig fitter zu bleiben“. Ein wichtiger Aspekt, der bei der Diskussion über die Notwendigkeit eines Hörgerätes oft untergeht. Was aber von Medizinern und entsprechenden Studien in den vergangenen Jahren zunehmend bestätigt wird.
Eine eigene Rubrik zum Thema „Demenz“ ist hier zu finden.
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