Drei Monate liegen oder im Rollstuhl sitzen, drei Monate Schmerzen und keine Bewegung. Und dann das Laufen quasi komplett neu erlernen … Eine spannende Entwicklung aus Dresden macht es Unfallopfern nach einem Fersenbeinbruch möglich, dieses Schicksal zu umgehen. Und zwar umgehen im wortwörtlichen Sinne; sie können deutlich früher wieder aufstehen und gehen. Belasten ohne Belastung, nennt sich die Idee, um trotz der Fraktur, die meist auch sämtliche Gelenke, auch die Sprunggelenke im Fuß mit betrifft, schneller wieder aktiv sein zu können.
Auch doppelter Fersenbeinbruch ist so gut therapierbar
„Bei Verkehrsunfällen zum Beispiel – aber auch durch Arthrose – kommt es sehr häufig vor, dass sich die Unfallopfer beide Fersenbeine brechen, laufen ist dann komplett unmöglich, denn über das Fersenbein gehen wir ja“, weiß Michael Borrmann, Geschäftsführer der Hans Sachs Orthopädieschuhtechnik Dresden. Und dass seine Patienten tatsächlich drei Monate ans Bett gefesselt waren, was ja für den kompletten Körper problematisch und für den Heilungsprozess hinderlich ist, war ein Umstand, mit dem sich auch der Dresdner Unfallchirurg Professor Dr. Hans Zwipp vom Uniklinikum Dresden nicht mehr abfinden wollte. Und er wusste, an wen er sich wenden musste. „An uns, denn es ist sozusagen unser Steckenpferd bei Hans Sachs, Dinge zu entwickeln und zu erfinden“, verrät Michael Bormann.
Dresdner Entwickler mit vielen wichtigen Erfindungen
Zahlreiche Entwicklungen zum Beispiel beim diabetischen Fuß oder bei der Stumpfversorgung nach Amputationen stammen von den Dresdnern in der Hans Sachs GmbH. „Man muss ja einerseits am Markt dranbleiben, schon allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten, aber natürlich auch im Interesse der Patienten“, unterstreicht der gelernte Orthopädieschuhmachermeister. Und hat in Sachen Fersenbeinfraktur gemeinsam mit seinem Entwickler-Team einen sogenannten Rückfußentlastungsstiefel auf den Weg gebracht. „Damit können die Betroffenen schon zehn Tage nach der Operation wieder stehen!“ Ein riesen Schritt, sagt der Dresdner und benutzt auch hier ganz bewusst dieses Wortspiel. Die Heilung ansich dauert natürlich nach wie vor länger, „aber die Betroffenen können sich bewegen, müssen eben nicht liegen und verlieren damit weder ihre Beweglichkeit, noch Muskelmasse und bleiben damit auch körperlich in Schwung. „Was gerade für Ältere natürlich sehr, sehr wichtig ist“, weiß Michael Borrmann.
Hilfe bei Fersenbeinbruch: Wochenlang im Selbstversuch ausprobiert
Die Idee, die bei der Dresdner Orthopädietechnik geboren wurde, ist dabei eine Kombination aus quasi alt und neu. „Wir haben eine bereits länger bekannte Entlastungsorthese für das Knie – den sogenannten Allgöwer-Apparat – genutzt und mit einem von uns entwickelten Stiefel zusammengefügt, der eigentlich für Achillessehnenverletzungen oder Wadenbrüche gedacht war“, beschreibt Michael Borrmann. Dieser Allgöwer-Apparat bietet zwar Stabilität für das Knie, aber nicht den für Fersenbeinbrüche notwendigen Schutz, „deshalb haben wir das Ganze durch einen festen Stiefel ergänzt“. Das ergibt ein perfektes Zusammenspiel aus Stiefel und Orthese; und macht das Gehen der Patienten auch ohne Unterarmstützen möglich. Ein Rollstuhl oder langes Liegen im Bett sind damit Vergangenheit. Und um zu testen, ob es tatsächlich funktionieren kann, sind er und einige seiner Kollegen wochenlang mit einem Prototypen herumgelaufen – „und wir haben dann Schritt für Schritt verändert und verbessert, bis das Ergebnis stimmte“.
Dresdner Uni-Professor bestätigt perfektes Ergebnis
Und dass das Ergebnis der Entwicklung stimmt, zeigt die Resonanz. „Professor Zwipp hat es für seine Patienten erfolgreich genutzt und es ist mittlerweile Standard an der Uniklinik – und auch einige weitere Krankenhäuser nutzen unsere Entwicklung“, freut sich der Hans-Sachs-Chef. Und so wurden die Stiefel der ersten Generation in der Tat ausschließlich an der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Uniklinikum Dresden eingesetzt; „und wir haben so eine Menge wichtiger Erfahrungen sammeln können“. Mittlerweile gibt es eine zweite Generation Stiefel, die für die Stabilität ein deutlich leichteres und auch stabileres Aluminium-U-Profil nutzen. Diese Weiterentwicklung steht nun letztlich auch Betroffenen außerhalb der Landeshauptstadt zur Verfügung. Das Perfekte an der Entwicklung ist zudem die Individualität, die möglich wird. Jeder Bruch ist schließlich anders, jedes Bein ist anders, jeder hat eine andere körperliche Fitness und Stabilität. „Darauf muss eingegangen werden, um den Heilungserfolg zu befördern“, ist Michael Borrmann überzeugt. Sein Stiefel tut es. „Und natürlich sind wir durchaus stolz darauf, gemeinsam mit Medizinern dafür gesorgt zu haben, dass Betroffene nach einem Fersenbeinbruch nicht auf den Rollstuhl angewiesen sind!“ Sondern laufen.
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