Den einen, gleichen Schmerz gibt es nicht

Am St.-Marien-Krankenhaus Dresden ist eine multimodale Therapie gegen Schmerz etabliert, die auf Individualität und medizinische Bandbreite setzt. Erfolgreich!
Das Team der Schmerztherapie am St.-Marien-Krankenhaus: Dr. Michael Huth, Dr. Nico Wildermuth und Dr. Cornelia Schunack (von links). Das Foto entstand am Barfußpfad im Park der Klinik, der auch Teil der komplexen Schmerztherapie ist. Foto: Jens Fritzsche

Jeder Fünfte, so eine aktuelle Statistik, leidet unter chronischen Schmerzen. Das sind in Deutschland rund acht Millionen Menschen und allein in einer Stadt wie Dresden zumindest statistisch 100.000 Betroffene. Das zeigt, wie dramatisch wichtig das Thema Schmerzbehandlung eigentlich ist. Problem: DEN einen, bei jedem gleichen Schmerz gibt es nicht. „Schmerzen sind so individuell, wie eben auch jeder Mensch anders ist“, sagt Dr. Michael Huth. Er ist Oberarzt am St.-Marien-Krankenhaus im Norden Dresdens, in dem alle neurologischen Krankheitsbilder behandelt werden, und Leiter der Schmerztherapie der Klinik.

Sein Team hat hier seit 2013 über Jahre hinweg die Schmerzbehandlung kontinuierlich weiterentwickelt. Eine, die zum einen auf eben diese Individualität des Schmerzes eingeht, zum anderen auf die Unterstützung möglichst vieler medizinischer Fachbereiche setzt. „Wer die Ursachen und Auswirkungen von Schmerzen behandeln will und weiß, dass sie sowohl psychisch, körperlich oder auch krankheitsbedingt entstehen können, muss einfach auch beim Behandlungsspektrum breit aufgestellt sein“, umreißt der Oberarzt die Idee der sogenannten „Stationären multimodalen Schmerztherapie“ am St.-Marien-Krankenhaus.

Auch soziale und psychologische Ursachen für Schmerz

Dieses ganzheitliche Konzept geht dabei auch auf soziale und psychologische Aspekte ein, „weil Schmerzen große Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen der Betroffenen haben und damit auch zu psychologischen Problemen führen können.“ Wer sich wegen chronischer Schmerzen zum Beispiel aus gemeinsamen Ausflügen mit Familie oder Freunden zurückzieht, verliert Kontakte und vereinsamt – gleiches gilt für langwierige Ausfälle im Arbeitsumfeld. „Und das sind nur einige wenige Beispiele“, macht Dr. Michael Huth deutlich.

Zusatzausbildung für das Thema Schmerz

Und so gehören neben den Neurologen auch Psychologen, Ergo-, Sport- und Physiotherapeuten, Sozialarbeiter und speziell auf das Thema Schmerz geschulte Pflegekräfte zum Team, sogenannte „Pain-Nurses“ – Schmerz-Schwestern übersetzt. Und weil der Bedarf an diesem Programm so groß ist, „haben wir uns jetzt auch personell breiter aufgestellt“, freut sich Dr. Wolfgang Meister, der Chefarzt des Krankenhauses. Es ist gelungen, mit Dr. Nico Wildermuth und Dr. Cornelia Schunack zwei weitere Mediziner mit speziell auf das Thema Schmerz ausgerichteter Zusatzausbildung fest ins Team zu integrieren.

„Damit können wir die Patientenströme für die bis zu dreiwöchige stationäre Behandlung wesentlich kontinuierlicher bedienen!“ Ziel ist es nun, neben der vorhandenen neurologischen, orthopädischen und psychiatrischen Expertise, einen Anästhesisten in das Team zu integrieren.

Im Vorfeld ausführliche Gespräche mit Patienten

Rückenbild. im Artikel: Den einen, gleichen Schmerz gibt es nicht
Schmerz ist ein wichtiges Thema in unserer modernen Gesellschaft: Aber mitunter haben Schmerzen auch psychologische Ursachen. Foto: pixabay.com

Schon im Vorfeld der stationären Behandlung werden deshalb mit den Patienten Gespräche geführt „Es geht dabei darum, herauszufinden, welche Dinge im Alltag der Patienten Auslöser oder zumindest Verstärker der Schmerzen sein könnten“, beschreibt der Neurologe Dr. Nico Wildermuth. „Mobbing gehört dabei genauso dazu, wie die aktuelle Angst mit Blick auf die politische oder die Corona-Lage“, weiß der Dresdner.

„Gespräche sind jedenfalls ein sehr großer, wichtiger Teil unserer Komplexbehandlung hier im Krankenhaus.“ Für die erfolgreiche Behandlung ist es beispielsweise auch wichtig herauszufinden, welche Strategien Patienten für den Umgang mit den Schmerzen entwickelt haben. „Oft legen sich Patienten bei Schmerzen hin, was natürlich nicht unbedingt sinnvoll ist.“ Nun sei es eine wichtige, aber meist auch schwierige Aufgabe, solche Muster durch andere, erfolgreichere zu ersetzen. Auch das lernen die Betroffenen hier.

Der Alltag – die eigentliche Bewährungsprobe bei Schmerz

Die Zeit nach dem Klinikaufenthalt – der Alltag zu Hause – ist die eigentliche Bewährungsprobe, weiß Dr. Michael Huth. Genau deshalb gehören auch zahlreiche Hilfen für diesen Alltag zum Programm. Die Therapeuten der Klinik erarbeiten mit den Patienten Übungen, die auch zu Hause ohne Fitnessstudio absolviert werden können; im Bedarfsfall auch mit Merkhilfen. Und auch das Thema Psychologie ist durch entsprechende Übungen nach der Klinik fortsetzbar. „Es geht darum, den Betroffenen wieder einen möglichst normalen Alltag zu verschaffen“, beschreibt Dr. Nico Wildermuth.

Wobei das, räumt er auch ein, nicht eine komplette Schmerzfreiheit bedeuten muss. „Aber wir zeigen Wege auf, mit Schmerz gut leben zu können!“ Und auch hier spielt natürlich wieder das Thema der Individualität eine entscheidende Rolle. „Es ist schon ein Unterschied, ob die Patientin eine 45-jährige Frau im Berufsleben oder eine ältere Dame ist, die körperlich nicht mehr ganz so aktiv ist!“ Es gibt ihn eben nicht, DEN einen, für jeden gleichen Schmerz.

Weitere spannende neue Therapiemöglichkeiten in Sachsen finden Sie im Bereich Experten in unserem Onlinemagazin gesund-in-sachsen.de